Von der Reizüberflutung in den Ruheflow

Wie der Wald zu einem Fest für deine Sinne wird
Es gibt sicher unzählige Methoden, aus dem Stressmodus auszusteigen. Du kennst bestimmt auch genug. Doch leider finden fast alle drinnen statt. Das ist wirklich schade, denn die Natur hat als natürliche Entspannungsoase so einiges zu bieten.
Viele von uns sind ja schon oft im Freien unterwegs, sei es durch die täglichen Gassirunden mit dem eigenen Hund oder zum Fitnesstraining joggen wir oder machen Nordic Walking. All das ist auch super für unsere Gesundheit. Die Natur ist dann allerdings nur die Kulisse, das Bühnenbild, für unsere Aktivität und tritt in den Hintergrund.
Ganz anders läuft es beim Waldbaden ab, denn da wird die Natur, der Wald selbst zur Bühne und wir sind alle stille Akteure mittendrin. Waldbaden bedeutet, dass wir ganz tief mit all unseren Sinnen in die Natur, den Wald, eintauchen. Wir riechen das Moos, mal waldig, erdig oder feucht, wir berühren es mit unseren Fingern und Händen, mal ist es weich und flauschig oder etwas struppig, hören den Wind in den Bäumen, die Blättern rascheln. Zusätzlich riechen wir die würzige Luft des Waldes oder schmecken seine Blätter und Beeren. Wir sehen die Farbe Grün in allen Schattierungen und Facetten.
Nimm dir Zeit und du wirst mit einem besonders intensiven Erlebnis der Sinne belohnt.
„Die Wildnis ist nicht ein Ort, den wir besuchen – sie ist unsere Heimat.“ (Gary Snyder)
Waldbaden: Ablauf
Waldbaden findet natürlich in einem Wald statt. Es ist ein achtsamer, entschleunigter Gang durch den Wald. Die Dauer liegt optimaler Weise zwischen 2 und 4 Stunden. In dieser Zeit laufen wir nur eine kleine Strecke, etwa 2 km. Wir unterbrechen unseren Gang immer wieder durch kleine oder größere Achtsamkeitsübungen, die unsere Sinne schärfen und uns helfen im „Hier & jetzt“ anzukommen.
Den passenden Wald finden
Ich bin Liebhaberin von Mischwäldern. Er ist abwechslungsreicher und bietet mehr Raum für unterschiedliche Erfahrungen und persönliche Vorlieben. So können wir unterschiedlichen Nadel – und Laubbäumen begegnen und ihre Energien spüren.
Waldbaden ist „artgerecht“
Wo grün ist, da ist auch Leben. Wir sind aus unserer Entwicklungsgeschichte eng mit der Natur verbunden und spüren eine enge Beziehung zur Farbe „Grün“, zur Farbe des Lebens und des Lebendigen. In den allermeisten Kulturen ist die Farbe „Grün“ Symbol für Lebendigkeit, Gesundheit, Liebe und Hoffnung. Aber auch für Ruhe und Ausgeglichenheit, denkt man beispielsweise an die mittelalterlichen Klostergärten als stille grüne Oasen.
Leider verbringen wir den größten Teil unseres Lebens in geschlossenen Räume, wir arbeiten und wohnen drinnen. Diese zunehmende Naturentfremdung, das Natur Defizit Syndrom, betrifft mittlerweile Kinder sowie Erwachsene, mit gravierenden Auswirkungen für ihre Gesundheit.
Es geht dabei um mangelnde Sinneserfahrungen, Aufmerksamkeitsprobleme und eine steigende Anzahl von körperlichen und emotionalen Symptomen. Dabei sind wir ein Teil der Natur und brauchen den Kontakt, um unsere körperliche, geistige und seelische Gesundheit zu entfalten. Wir sind quasi genetisch darauf programmiert, die Natur zu lieben, Zeit in ihr zu verbringen, da sie in unseren Genen seit Millionen von Jahren verankert ist.
Waldbaden, die „Heilwirkungen“ sind wissenschaftlich bestätigt
Waldbaden „Shinrin Yoku“ kommt ursprünglich aus Japan und wird seit den 80er Jahren dort praktiziert. Es bedeutet übersetzt „Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes“.

https://ihrs.ibe.med.uni-muenchen.de/team/wiss_mitarbeiter/immich/friedmann2018_heilwirkung_wald.pdf
Waldbaden, freier atmen
Im hektischen Alltag atmen wir meist flach, oberflächlich und schnell, was oftmals zu Verspannungen im Körper führt. Zusätzlich kann sich dadurch die Sauerstoffzufuhr im Gehirn verringern, was negative Folgen für unsere Konzentrationsfähigkeit haben kann. Unsere Atmung ist ein zuverlässiger Indikator dafür, wie viel Anspannung und Druck in unserem Körper vorhanden ist. Dauerhafte Anspannung und flache Atmung kann eine Ursache von chronischen Schmerzen und Erschöpfung sein oder kann diese Symptome verschlimmern.
Durch einen längeren achtsamen Aufenthalt in der Natur, im Freiraum Wald, vertiefen und beruhigen wir unsere Atmung viel leichter als in Innenräumen. Durch zusätzliches Atemtraining können wir unsere Atmung immer weiter verbessern und werden die positiven Folgen für Körper und Gehirn schnell spüren.

Waldbaden, Stress beenden und in der Natur Ruhe finden
Jeder Mensch ist unterschiedlich „anfällig“ für Stress und wie zeitnah und intensiv er darauf reagiert. Stress bedeutet, dass ständig Druck und Anspannung in unserem Körper ist und sich unsere Atmung negativ verändert. Wir atmen flach und zu schnell. Der Sympathikus, der Teil des unwillkürlichen Nervensystems, der den Körper in hohem Maß leistungsbereit macht, ist ständig aktiviert und wir schütten in hohem Maß Stresshormone aus. Dann sprechen wir von chronischem Stress, der uns langfristig krank macht.
Folgende (Stress)Symptome sind möglich:
- Müdigkeit
- Schlafstörungen
- geistige und körperliche Erschöpfung
- Konzentrationsmangel
- Innere Unruhe
- Muskuläre An- und Verspannung (Schmerzen, zb. im Rücken, Nacken, Kopf)
- Reizbarkeit
- Lustlosigkeit
- Lösungsorientiertes Handeln wird erschwert
- Tunnelblick
- Gedankenkreisen (Dauergrübeln, meist um Negatives)

Im Wald dürfen wir einfach „sein“ und tief in die Atmosphäre des Waldes eintauchen, ohne Verpflichtungen. Wir befinden uns an einem Ort jenseits der Alltagsroutinen. Hier gibt es Freiraum für spielerische Neugierde, Genuss und Leichtigkeit.
Wir aktivieren ganz bewusst unsere 5 Hauptsinne, hören, riechen, schmecken, fühlen und tasten und trainieren unsere achtsame Selbstwahrnehmung.
Waldbaden: Achtsamkeit & Akzeptanz
Achtsamkeit bedeutet bewusst die volle Aufmerksamkeit auf die Erfahrung im gegenwärtigen Moment zu lenken und ihr wertfrei und akzeptierend zu begegnen. Wir werden zum Beobachter, ohne die Ereignisse durch eigene Bewertungen zu verändern. Die Natur, der Wald, unterstützt uns, leichter in die innere Haltung der Achtsamkeit und Akzeptanz zu kommen. Je mehr wir die Natur auf uns wirken lassen, umso achtsamer werden wir, auch uns selbst gegenüber.
Waldbaden fördert Kreativität
Die Natur weitet unseren Blick. Abseits des Alltags und den Routinen ist Freiraum und Zeit, um Neues zu entdecken. Es geht raus aus dem „Autopilot-Modus“, entschleunigen, schlendern, Perspektiven wechseln, neue Erfahrungen zulassen, spielerisch leicht, mit neugierigem Blick. Die Natur lädt uns zum Gestalten ein: kreatives Schreiben oder zu kreativem Gestalten mit Naturmaterialien.
Die Natur bringt uns zum inneren Schwingen, wir begeben uns in Resonanz mit der Natur. Sie beflügelt uns auf sanfte Weise und wir können unsere Intuition trainieren.